Hurricane Heat – Bis an die Grenze gehen

Hurricane Heat ist ein Sonderformat von Spartan Race. Wir haben Teilnehmerstimmen gesammelt und mit Gerd Fuetscher gesprochen. Er ist der Leiter, der Krypteia, bei den Veranstaltungen in Deutschland und Österreich.

OCRFIT: Hallo Gerd, vielen Dank, dass du dir die Zeit nimmst, um mit uns über das Format Hurricane Heat von Spartan Race zu sprechen. Es gibt da ja verschiedene Abkürzungen zu diesem Format. Erzähl doch mal was es mit diesen Abkürzungen auf sich hat und was sich dahinter verbirgt.

Gerd Fuetscher: Es gibt die Abkürzung HH für das Hurricane Heat, den HH12HR für den Hurricane Heat über 12 Stunden und den HH24HR über 24 Stunden, den es aber erst ein oder zwei Mal in Amerika gab. Hier bei uns gibt es die 24 Stunden bisher noch nicht.

Das normale Hurricane Heat hat ein Zeitfenster von vier bis sechs Stunden. Die genaue Zeit weiß man vorher nicht. So wie bei den normalen Bewerben, bei denen es ja auch 5+ km oder 13+ km usw. Gibt. You never know. Es ist für uns sonst auch schwierig. Bei einer fest definierten Zeit müssten wir dauernd auf die Uhr schauen, ob wir eine Aufgabe noch schaffen oder nicht.

OCRFIT: Ok, in Europa gibt es also nur den HH und den HH12HR. Fangen wir erst mal mit der kleinen Variante, dem Hurricane Heat, an. Was ist das genau, worum geht es da?

Gerd Fuetscher: Für das Hurricane Heat gibt es zunächst mal keine Voraussetzung. Jeder kann sich dort anmelden, wenn er glaubt, dass er der Sache gewachsen ist. Das Ziel ist es, innerhalb der vier bis sechs Stunden aus wildfremden Menschen ein Team zu formen und dabei die Teilnehmer an ihre psychische sowie physische Grenze zu bringen, sofern das innerhalb des Zeitrahmens möglich ist.

Die gestellten Aufgaben sind darauf ausgelegt, im Team eine Lösung zu finden. Natürlich gibt es auch einen klassischen Teil mit physischem Training. Burpees und Up-and-Down müssen sein. Die Teilnehmer sollen lernen miteinander im Team zu arbeiten, zusammen eine Lösung zu finden und gemeinsam ins Ziel zu kommen.

Das gesamte Team entwickelt innerhalb von kürzester Zeit einen Zusammenhalt bzw. ein Teambewusstsein, dass ich so noch nie erlebt habe.— Kevin aus Burbach, Teilnehmer HH Oberndorf 2017

Beim Hurricane Heat wird auch niemand rausgeschmissen. Außer jemand gibt freiwillig auf, weil er nicht mehr kann oder nicht mehr möchte. Jeder ist frei zu gehen. Aber es gibt keinen Mechanismus, der einen Teilnehmer ausscheiden lässt. Alle die antreten sollten auch ins Ziel gebracht werden. Die Intensität des Bewerbs ist daher auch nicht am Stärksten ausgerichtet. Jemand, der körperlich sehr stark ist, schon viele harte Läufe gemacht hat oder wie ich aus dem militärischen Bereich kommt, der wird nicht an seine mentale oder körperliche Grenze kommen. Für solche Teilnehmer wären HH12HR, HH24HR oder auch AGOGE die besseren Formate.

OCRFIT: Wie löst ihr es, wenn ihr einerseits sehr starke Athleten und andererseits relativ schwache Teilnehmer innerhalb einer Veranstaltung habt?

Gerd Fuetscher: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man den sehr starken Teilnehmern das Einzelkämpferdasein abgewöhnen muss. Das kann man gut über körperliche Ertüchtigung erreichen. Wenn z.B. jemand alleine vorneweg mit einem schweren Eimer den Berg rauf läuft, werde ich der Gruppe erklären, dass die Aufgabe war, gemeinsam im Team anzukommen. Es ist in der Veranstaltung nicht relevant, ob einer besonders schnell alleine am Meetingpoint ankommt. Das interessiert keinen. Und dann machen alle zusammen einfach Burpees. Ich nenne das gruppendynamische Aktivierung der Teilnehmer.

Das Gleiche passiert, wenn der Großteil der Gruppe am Meetingpoint ankommt und ein oder zwei Teilnehmer später ankommen. Dann sage ich “Sorry, Leute, ihr habt die Aufgabe nicht geschafft. Denn ihr habt da hinten zwei aus der Gruppe vergessen.” Und dann machen alle bis auf die beiden, die später ankamen, Strafburpees.

Es dauert dann eine bis maximal zwei Stunden und dann funktioniert es gut. Dann werden die Schnelleren langsamer und es ergibt sich eine gute mittlere Geschwindigkeit.

Ich gebe Aufgaben vor und lasse die Lösungswege offen. Die einfachsten Lösungen werden dann oft nicht von den Teilnehmern gewählt, weil sie glauben, dass diese gegen die Regeln verstossen könnten. Dabei sage ich z.B. nur, dass ein Gegenstand von A nach B soll. Wie sie das dann machen ist mir egal. Und wenn sie einen LKW besorgen und es damit befördern, dann wäre das ok. Sie sollen kreative Eigenlösungen entwerfen. Und das Ganze als Team.

Wann sonst rollt man sich schon mal mitten in der Nacht mit 15kg auf dem Rücken und einem Schnuller im Mund 200m über eine Wiese.— Hebbe aus Heubach, Teilnehmer HH12HR in Geelong/Australien 2015

OCRFIT: Kannst du mal ein Beispiel für eine Aufgabe geben, die auf die Teilnehmer zukommen kann?

Gerd Fuetscher: Eine klassische Aufgabe ist, die großen schweren Baggerreifen, die es meistens auf dem Veranstaltungsgelände gibt, für 30 bis 45 Minuten lang vom Team in der Luft gehalten und von A nach B bewegt zu werden. Wir erzeugen damit eine Situation, die einen an die psychische und vermeintlich physische Grenze bringt. Man schafft das dann aber im Team, weil man merkt, wie sich das Bewusstsein erweitert und sich die Leistungsgrenze verschiebt. Der Körper kann viel mehr leisten als uns das Gehirn vormacht. Das ist das klassische Schweinehund-Prinzip. Man denkt sich zuerst, dass man es nicht schaffen kann und am Ende fühlt es sich relativ leicht an.

OCRFIT: Ok, ich glaube jetzt ist es ungefähr klar, was einen Hurricane Heat ausmacht. Wie sieht es mit dem HH12HR aus? Ist der einfach nur länger oder ist der Event ganz anders aufgebaut?

Gerd Fuetscher: Ein markanter Unterschied ist, dass es beim HH12HR eine Teilnahmevoraussetzung gibt. Man muss vorher einen Hurricane Heat gemacht haben um sich überhaupt anmelden zu dürfen. Damit ist gewährleistet, dass jemand schon mal 4-6 Stunden durchgehalten hat und ein gewisses Maß an Leistungsfähigkeit und Wille vorhanden ist.

Der zweite große Unterschied ist, dass Leute, von denen ich glaube, dass sie zu schwach sind, von mir aus dem Bewerb herausgenommen werden können. Auch Leute, die nicht ins Team passen, weil sie gegen das Team arbeiten oder Single-Tasks und Cut-Offs nicht schaffen, müssen den Bewerb verlassen. Im Unterschied zum Hurricane Heat, ist nicht alles nur teambasiert. Es werden auch Situationen geschaffen, bei denen z.B. eine Einzelperson die Aufgabe bekommt, innerhalb von 50 Minuten einen Gegenstand von A nach B zu bringen. Schaffst du es, bleibst du weiter im Bewerb. Schaffst du es nicht, musst du leider nach Hause.

Du läufst in die Nacht. Die ersten 4 Stunden gehen nicht vorbei. Es ist 0 Uhr, noch 8 Stunden. Wie soll das gehen? Der Körper möchte natürlich irgendwann schlafen. So gegen drei, vier Uhr wird das echt anstrengend. Und es sind dann immer noch 4 weitere Stunden. Das zermürbt. Es ist kalt, man ist nass, die Krypteia drillen immer weiter und es gibt keine Pausen. Irgendwann ging die Sonne auf. Das war für mich der Punkt an dem ich wusste, dass ich es schaffe. Man muss es erlebt haben, um es zu verstehen.— Christian aus Köln, Teilnehmer HH12HR Wiener Neustadt

Diese Cut-Offs werden gemischt mit Teamaufgaben. Die Teamaufgaben sind ähnlich wie bei Hurricane Heat. Man führt z.B. eine “Verwundetenbergung” durch. Dabei müssen die Teilnehmer mit Holzbrettern, die sie im Rucksack als Ausrüstung dabei haben, eine Person transportieren. Oder sie müssen ihre Seile verwenden um etwas zu sichern oder irgendwo hoch zu ziehen. Wir erhöhen beim HH12HR also den Zeitrahmen und es gibt das Zugangs- und Ausscheidungskriterium.

Die Ausgestaltung obliegt alleine dem Krypteia. Es gibt im Bewerb immer nur einen Krypteia. Das ist der Leiter. Und dann gibt es noch Coaches. Die Coaches unterstützen damit der Krypteia nicht vier, sechs oder zwölf Stunden alleine herum schreit und irgendwann gar keine Stimme mehr hat. Sie überwachen natürlich auch die Übungen und die korrekte Ausführung. Sie sind quasi auch die Schiedsrichter vom Krypteia.

OCRFIT: Kannst du uns etwas über die Teilnehmer erzählen? Was sind das für Leute, die sich für so eine Veranstaltung anmelden? Es sieht so aus als seien es überwiegend Männer. Wie ist das Verhältnis zwischen den Geschlechtern?

Gerd Fuetscher: Bei den normalen Spartan Veranstaltungen ist der Frauenanteil bei etwa 30%. Beim Hurricane Heat ist der Anteil etwas geringer. Es fällt mir schwer das einzuschätzen. Vielleicht 15-20 % der Teilnehmer sind Frauen.

Was den Typos angeht, so ist es schon eine große Bandbreite. Es gibt gesteigerte Ego-Menschen, die glauben, nur weil sie ein Spartan Race gefinisht haben, schaffen sie im Jahr darauf gleich ein Endurance-Trifecta und wundern sich dann, dass sie schon beim Ultra Beast den Cut-Off nicht schaffen.

Dann gibt es die, die wissen, dass sie gut trainieren. Die klassischen Athleten, die aber das extra Quentchen haben möchten. Die mehr wollen als nur das, was sie schon kennen. Das ist ja genau das, was wir beim Hurricane Heat machen. Wir bieten ihnen für eine begrenzte Zeit ein Leben oder ein Umfeld, dass gänzlich nicht ihrem 0815 entspricht. Und das wollen sie. Diesen Typos muss man wenig motivieren.

Und der große Teil sind die, die neugierig sind. Die zwar motiviert, aber vielleicht nicht 100% fit sind, aber es trotzdem probieren möchten. Das ist für mich die aufregendste Gruppe. Auf die schaue ich am meisten. Während ich den Alpha-Tieren manchmal den Zahn ziehen muss, muss ich auf diese Gruppe manchmal positiv einwirken.

OCRFIT: Wie hoch ist bei den HH12HR die Ausfallquote?

Gerd Fuetscher: Für Europa fehlen mir da noch ausreichende Erfahrungen. Es gab ja erst einen HH12HR in der Wiener Neustadt. Dort haben wir mit 74 Teilnehmern begonnen und mit 66 Personen aufgehört. Vier haben den ersten Cut-Off, beim Spartan Sprint in der Wiener Neustadt, nicht geschafft. Den mussten sie in einer vorgegebenen Zeit mit Gepäck absolvieren. Und die anderen 4 Teilnehmer sind selbst aus dem Rennen gegangen, weil körperliche Gebrechen da waren oder sich beim Sprint schon irgendwie weh getan hatten. Aber das war der Erste wie gesagt.

Die größte Herausforderung war komplett nass und durchgefroren nicht das Handtuch zu werfen. Ganz am Ende beim Zieleinlauf wurden auf einmal alle immer schneller, da muss ich zugeben war ich schon ziemlich am Limit, da packte mich einer am Arm damit ich das Tempo halten konnte (untergehakt) und dann war es endlich geschafft und ich konnte im Ziel vor Freude noch hüpfen.— Nicole aus München, Teilnehmerin HH

In Amerika kann man sagen, dass im Schnitt 20-30 % aus dem Rennen fallen. Aber es ist ganz unterschiedlich. Ich bin nicht sicher, ob man die Länder miteinander vergleichen kann. Es gibt auf jeden Fall keine vorgegebene Ausfallrate. Solange jemand die Cut-Offs schafft und über Nacht nicht zu stark abbaut, versuche ich die Leute nach Möglichkeit im Bewerb zu belassen. Es darf nur der zeitliche Ablauf nicht gefährdet werden. Dann muss ich eingreifen. Wir versuchen möglichst viele – am Limit – ins Ziel zu bringen.

OCRFIT: Es geht also nicht darum, die Leute möglichst fertig zu machen, sondern sie bis ans Limit zu bringen und solange es im Rahmen der Veranstaltung möglich ist, auch bis zum Ende zu bringen?

Gerd Fuetscher: Ja, genau! Es soll fordernd sein. Es soll verdammt schwer sein. Aber es ist nicht darauf ausgelegt, die Teilnehmer fertig zu machen. Das wäre relativ einfach: Dann würden wir solange Burpees machen lassen bis 50% ausfallen.

OCRFIT: Wie wichtig ist aus deiner Sicht der mentale Aspekt bei diesem Format?

Gerd Fuetscher: Der mentale Aspekt ist sehr wichtig. Auf jeden Fall! Das ist auch das, was man sich selbst nur sehr schwer beibringen kann. Das Durchbeissen, wenn der Körper nicht mehr kann. Den Willen zu entwickeln unbedingt ans Ziel zu kommen. Das kann man eigentlich nur in so einer Situation lernen.

So wie es auch beim Militär ist. Man bringt die Leute in solche Situationen damit sie lernen sich anzupassen. Die einen schaffen es, die anderen nicht.

Es war mehr eine mentale Herausforderung als eine körperliche. Die Kälte im Wasser, die Dunkelheit/Müdigkeit, die Dauer, die Erschöpfung, die laufend wiederkehrenden statischen Halteübungen. Die Kombination hat mir mentale Grenzen gezeigt, aber auch, dass man sie überwinden kann.
— Hebbe aus Heubach, Teilnehmer HH12HR in Geelong/Australien 2015

Grundsätzlich soll es aber die Teilnehmer weiter bringen. Sie sollen stärker dadurch werden und sehen, dass da noch mehr geht. Sie sollen mehr Selbstbewusstsein bekommen und stärker aus dem Event heraus gehen. Ganz egal, wie hart es für den Körper war. Der mentale Aspekt ist also extrem wichtig und der wird auch abgefragt.

Die größte Herausforderung war die Kälte und das schlechte Wetter. Das 4 Stunden durchzuhalten war krass. Hinzu kam ja auch noch die Ausdauer und die körperliche Kraft über diese ganze Zeitspanne. Und dann noch der ganze Drill. Aber ich glaube, genau das war das Geilste und Beeindruckendste. Am Ende sah man aus wie Sau, pfiff aus dem letzten Loch, war nur noch ein armseliges, schlotterndes Häufchen Elend, aber ich fühlte mich grandios das geschafft zu haben. Es war ein unvergessliches Erlebnis, ich würde jederzeit wieder einen HH machen und werde das auch, 4 Stunden reichen mir allerdings nicht mehr, so geil war das.— Thierry aus Luxemburg, Teilnehmer HH Oberndorf

OCRFIT: Wenn jetzt jemand Interesse bekommen hat, mal bei einem Hurricane Heat mitzumachen. Welchen heißen Tipp kannst du dieser Person mit auf den Weg geben?

Gerd Fuetscher: Der wichtigste Punkt, der immer wieder auftaucht, ist, dass sich die Interessenten vorab gut informieren sollten. Man findet nahezu alle wichtigen Informationen auf der offiziellen Website. Und nur weil es vielleicht bequem ist, jemanden zu fragen, den man kennt, ist das nicht immer der beste Weg. Für micht ist das ein erstes Zeichen dafür, dass die Person nicht gut geeignet ist für dieses Format. Wenn ich etwas tun möchte, informiere ich mich selbst darüber und bin vorbereitet. Vorbereitung ist die halbe Miete.

Wenn es z.B. ein Gear List Video gibt, wo ganz klar beschrieben ist, was mitzubringen haben und was sie lernen müssen, dann hat das am Tag X abrufbereit zu sein. Und dann will ich da auch keine Fragen hören. Es gibt von Spartan Race ein Public Announcement: “If you start asking questions, you are not ready!”.

Informiere dich also selber, ob es das Richtige für dich ist und ob du das haben möchtest. Das ist das Wichtigste.

OCRFIT: Vielen Dank für die interessanten Informationen und das spannende Interview.

 

Fotos: Sportograf/Spartan Race

2 Kommentare zu „Hurricane Heat – Bis an die Grenze gehen“

  1. Was soll ich schreiben bzw. sagen … ICH BIN HIN UND WEG 🙂 eine MEGA Herausforderung an Körper und Geist. Da laufen vor meinem inneren Auge Filme ab wie körperlich anstrengend, auch psychisches und heftige physische Grenzen es dort gibt. KLASSE bin echt begeistert 😀

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